Eine über 1000 Jahre alte Salbe kann den stärksten bakteriellen Biofilm zerstören (Rezept im Artikel)

2015 untersuchten Mikrobiologen der Universität Nottingham gemeinsam mit Experten für angelsächsische Texte ein Rezept aus dem 10. Jahrhundert zur Behandlung von Augeninfektionen. Eine Kombination aus Zwiebel, Knoblauch, Wein und Rindergalle in einem Bronze- oder Messinggefäß sollte Bakterien zuverlässig abtöten und wie ein Antibiotikum wirken. Am Ende übertraf das Ergebnis alle Erwartungen: Die Formel tötete tatsächlich 99,9 % aller Golden Staphylococcus-Bakterien! Jetzt hat das Team weitere Erkenntnisse veröffentlicht, die eine Reihe von Heilungsprozessen vollständig umkehren könnten - zum Beispiel bei diabetischem Fuß und einer Reihe anderer entzündlicher Erkrankungen...

Jetzt hat ein Expertenteam eine neue Studie über den Einsatz von Baldos Rezept gegen eine Reihe von Krankheitserregern in Biofilmen, also Bakteriengemeinschaften, die zusammen eine einen Schutzschild, der nur sehr schwer, wenn überhaupt, zu zerstören ist, egal wie viele antimikrobielle Mittel wir auf ihn werfen. Die meisten pharmakologischen Untersuchungen von Pflanzenbestandteilen konzentrieren sich auf die Isolierung der einzelnen Wirkstoffeund sie gegen frei lebende Bakterienzellen einzusetzen, die leichter abzutöten sind als Biofilme. In dieser Studie wurden die antimikrobiellen Eigenschaften der Mischung untersucht.

Biofilm-Infektionen von Wunden (z. B. Verbrennungen, diabetische Fußgeschwüre), medizinischen Implantaten (z. B. künstliche Gelenke, Katheter), Lungenentzündung (z. B. Mukoviszidose) und viele andere stellen eine große gesundheitliche und wirtschaftliche Belastung dar, und einige können sehr schwierig zu behandeln sein. Selbst wenn die Infektionen scheinbar erfolgreich behandelt werden, ist die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens hoch, und es wird geschätzt, dass bis zu 50 % der Betroffenen innerhalb von 5 Jahren nach der Entwicklung von diabetischen Geschwüren sterben. Die Salbe von Baldo könnte diese Gesundheitsprobleme wahrscheinlich mit größerer Wirksamkeit behandeln.

Jeder der Inhaltsstoffe in der mittelalterlichen Formel hat bekannte antimikrobielle Eigenschaften. Die Vorteile aller vier Inhaltsstoffe und die Auswirkungen auf die Plankton- und Biofilmaktivität wurden untersucht. Die planktonische Aktivität (einzelne Bakterien) schien fast ausschließlich auf Knoblauch zurückzuführen zu sein. Tests gegen Golden Staphylococcus aureus Biofilme zeigten jedoch, dass Knoblauch in dieser klinisch relevanteren Umgebung keine antibakterielle Aktivität zeigte. Wurde ein Inhaltsstoff aus der Formel weggelassen, hatte die verarmte Mischung praktisch keine signifikante Wirkung auf den Biofilm, während die vollständige Mischung, die genau nach dem Rezept zusammengestellt wurde, tötete 999 von 1.000 Staphylokokken-Zellen ab, sowohl bei In-vitro- als auch bei In-vivo-Kulturen in infizierten Mäusen.

Selbst die stark verdünnte Salbe war eine wirksame Waffe, die die Bakterien zwar nicht abtötete, aber die Kommunikation zwischen den Zellen blockierte, die das Bakterium unbedingt braucht, um das Gewebe zu schädigen. Dies bestätigt die bereits früher veröffentlichte Feststellung, dass die Wirkung der Baldo-Salbe von der Anwesenheit aller vier Inhaltsstoffe abhängt.

Die Baldo-Augensalbe in ihrer ursprünglichen Formulierung war somit in der Lage, planktonische Kulturen einer Reihe von Bakterien vollständig zu vernichten einschließlich Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii, Enterobacter cloacae, Stenotrophomonas maltophilia, Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis, Streptococcus pyogenes und MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus). Es war auch in der Lage, Bakterien in Biofilmen von Staphylococcus aureus, Acinetobacter baumannii und Streptococcus pyogenes zu bekämpfen. Die Studie unterstreicht unter anderem, wie wichtig es ist, Biofilme in Studien über antibakterielle Wirkstoffe einzubeziehen, da die Fähigkeit, planktonische Kulturen abzutöten, möglicherweise nichts mit der Fähigkeit zu tun hat, einen resistenten Biofilm abzubauen.

Rezept für Baldo-Salbe, getestet von einem Team der Universität Nottingham:

Knoblauch und Zwiebeln wurden in Supermärkten oder Gemüseläden gekauft. Da die Laborarbeiten zu allen Jahreszeiten und an zwei Standorten (Warwick und Nottingham) durchgeführt wurden, wurden verschiedene Knoblauch- und Zwiebelsorten in unterschiedlichen Chargen verwendet (insgesamt 75 Testmischungen). Die äußere Schale des Knoblauchs und der Zwiebeln (aus dem örtlichen Gemüseladen) wurde entfernt. Knoblauch und Zwiebel wurden fein gehackt und zu gleichen Teilen (1:1) in einem Mörser 2 Minuten lang zerstampft. Das Durchschnittsgewicht betrug 14,1 ± 1,5 g für Zwiebel und 15,0 ± 1,3 g für Knoblauch pro 100 ml Baldo-Augensalbe.

Die geschmierten Zwiebeln und der Knoblauch wurden dann mit einer gleichen Menge Wein (Pennard organic dry white, 11% ABV, von Avalon Vineyard, Shepton Mallet) und Rindergallensalz (Sigma Aldrich) in einem Verhältnis von 89 mg - ml -1 zugesetzt und 10 Minuten lang mit UV-Licht sterilisiert. Die Mischung wurde in sterilisierten Glasflaschen 9 Tage lang bei 4 °C im Dunkeln gelagert und dann 5 Minuten lang bei 1 811 g zentrifugiert. Der Überstand wurde dann mit Whatman-Filterpapier der Qualität 1.001 bis 110 (11 cm, Porengröße: 11 um) filtriert. Die resultierende Mischung wurde in sterilen Glasbehältern im Dunkeln bei 4 °C gelagert (vermutlich zusammen mit eingebetteten Kupferstäben - nicht bestätigt, Anm. d. Verf.).

Unter häuslichen Bedingungen würde man die eher ursprüngliche mittelalterliche Version verwenden, d. h. man würde einfach Knoblauch, Zwiebel, Wein und Galle ansetzen.in einem Bronze- oder Messingbehälter 9 Tage lang an einem dunklen, kühlen Ort ruhen und dann durch mehrere Lagen Leinen gefiltert werden.

Bis vor kurzem beruhten die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf der Untersuchung einzelner extrahierter Pflanzenteile, was sich besonders gut für Labortests und Pharmakologie eignete. Die alte Weisheit der Vorfahren, die die ganze Pflanze in Mischungen und Proportionen verwendeten, die wahrscheinlich seit frühester Zeit überliefert sind, scheint jedoch heute zunehmend Anwendung zu finden. Es stellt sich heraus, dass zunehmend antibiotikaresistente Bakterien besiegt werden können, wenn wir wieder lernen, die Gaben der Natur von Grund auf zu behandeln.

Roman Nemec

Baldo's Blutegelbuch

Quellen: thehistoryblog.de, theguardian.de, scitechdaily.de